Mastodon: eine echte Alternative!

Nele Hirsch im Zoom-Meeting während ihrer Prsentation über Mastodon
Published On: 20. Dezember 2022By

Seit Elon Musk Twitter übernommen hat, haben viele den Microblogging-Dienst verlassen oder spielen mit dem Gedanken, der Plattform den Rücken zu kehren. Als prominenteste Alternative gilt Mastodon. Bei unserem letzten Stammtisch haben wir das soziale Netzwerk unter die Lupe genommen.

Mastodon: kurzer Hype oder echte Alternative? Das war das Thema unseres Hamburger Stammtisches für Wissenschaftskommunikation am 05. Dezember. Als Expertin dabei war dieses Mal Nele Hirsch, Pädagogin im @eBildungslabor. Sie berät zu Digital-Themen im Bildungsbereich und schreibt darüber in ihrem Blog. Und: sie ist schon lange begeisterte Mastodon-Nutzerin!

Die Umfrage zum Einstieg in den Abend ergab, dass 42 Prozent der Teilnehmenden schon auf Mastodon unterwegs sind. 9 von 10 sind bei Twitter, 39 Prozent nutzen eine andere Plattform. Nur drei Prozent sind in keinem dieser sozialen Netzwerke angemeldet.

Gemeinsam haben wir uns über unsere Erfahrungen, Eindrücke und Herausforderungen mit Mastodon ausgetauscht. Das haben wir gelernt:

  1. Mastodon ist Teil des Fediverse

    Das Fediverse – der Begriff setzt sich aus federation und universe zusammen – ist ein dezentrales und offenes soziales Netzwerk. Es besteht aus vielen voneinander unabhängigen Servern, die jedoch alle untereinander vernetzt und miteinander kompatibel sind, den sogenannten Instanzen. Neben Mastodon gehören zum Fediverse noch viele andere Plattformen. Mastodon ist im Fediverse der Dienst, der Twitter am ähnlichsten ist.

  2. Wähle die Instanz aus, die zu dir passt

    Bevor du Mastodon nutzen kannst, musst du dich entscheiden, auf welcher Instanz du dich anmelden möchtest. Das kannst du von unterschiedlichen Faktoren abhängig machen: Es gibt zum Beispiel Instanzen, die bestimmte Werte und Haltungen vertreten. Vielleicht kennst du auch eine bestimmte Einrichtung, der du vertraust und die ihre eigene Mastodon-Instanz erstellt hat. Oder du wählst eine lokale Instanz, bei der viele Leute aus deiner Region vertreten sind. Ganz egal, wie du dich entscheidest: Welche Instanz du wählst, ist nicht in Stein gemeißelt, und du kannst später immer wieder wechseln. Wenn du dir trotzdem nicht sicher bist, gibt es verschiedene Anleitungen und Übersichten, die dir helfen, eine passende Instanz für dich zu finden.

  3. Neu auf Mastodon? Stelle dich vor!

    Wenn du neu auf Mastodon bist, gilt es, Kontakte zu knüpfen. Schreibe einen kurzen Vorstellungspost und verwende den Hashtag #neuhier, über den du andere Neuankömmlinge findest. Um das zu vereinfachen, gibt es Tools, die dir helfen, deine Twitter-Kontakte auf Mastodon zu finden, zum Beispiel Debirdify oder masto/dir/.

  4. Apps und Co.

    Es gibt unterschiedliche Wege, Mastodon zu nutzen. Wie auch bei Twitter kannst du dich einfach über deinen Browser einloggen. Gerade wenn du gerne mobil im Fediverse unterwegs bist, kann eine App, wie zum Beispiel Tusky (Android) oder Toot (iOS) die bequemste Variante für dich sein.

  5. Alles wie bei Twitter? Nicht ganz!

    Auch wenn Mastodon Twitter sehr ähnlich ist, gibt es einige wichtige Unterschiede.
    Der im ersten Punkt beschriebene dezentrale Aufbau ist einer davon. Aber auch das Vokabular ist bei Mastodon anders als bei Twitter: Es wird nicht gewittert, sondern „getrötet“. Beiträge werden als „Tröts“ (oder englisch: „toots“) bezeichnet. Und Tröts werden „favorisiert“, statt geliket. Auch die dahinterstehenden Mechanismen unterscheiden sich: Einen Tröt zu favorisieren, wirkt sich nicht auf den Algorithmus aus, dient also nicht dazu, die Reichweite eines Beitrags zu erhöhen. Dafür muss der Beitrag „geboostet“ (geteilt) werden.

  6. Das Fediverse braucht Geduld

    Bis du dich bei Mastodon so richtig zuhause fühlst, braucht es vielleicht ein bisschen Zeit. Am Anfang ist deine Startseite noch ganz leer, da es keinen Algorithmus gibt, der dir Beiträge vorschlägt. Es liegt an dir, Accounts zu finden, die dich interessieren und dich mit Leuten zu vernetzen. Aber: mit je mehr passenden Menschen du dich vernetzt, desto mehr interessanten Content wird deine Zeitleiste dir zeigen.

  7. Perspektivenvielfalt und Filterblase – das geht beides

    Bist du erst einmal auf Mastodon angemeldet und hast die ersten Kontakte geknüpft, wird dir ziemlich schnell eines auffallen: Es gibt verschiedene Timelines. Auf deiner persönlichen Startseite siehst du alle Beiträge der Accounts, denen du folgst. Die lokale Zeitleiste zeigt Beiträge von Usern aus deiner Instanz. In der föderierten Zeitleiste findest du Beiträge von Usern anderer Instanzen. Durch die beiden Zeitleisten kannst du einerseits ganz in deiner eigenen Filterblase versinken, bekommst aber andererseits mit, was außerhalb passiert.

  8. Kleine Community – intelligente Reichweite

    Die Mastodon-Community ist bislang klein und familiär, mit einer meist positiven Diskussionskultur. Hier wird weder gepöbelt noch gehetzt – so die Erfahrung der Teilnehmenden. Deine Tröts erhalten wahrscheinlich (noch) nicht die gleiche Reichweite wie die Tweets bei Twitter, aber dafür erreichen sie die richtigen Personen. Und diese sind interaktionsfreudig und bereit, auf deinen Tröt zu reagieren und mit dir ins Gespräch zu kommen.

  9. Digitale Kultur ist gestaltbar

    Mastodon kann als das „Barcamp“ unter den sozialen Netzwerken beschrieben werden: Alle tragen zu einem guten Gelingen bei. Dazu gehört nicht nur die gerade angesprochene konstruktive Diskussionskultur. Etwas funktioniert nicht? Melde es an deinen Server-Admin! Du hast Verbesserungsvorschläge? Immer her damit! Im Fediverse gilt es, die digitale Welt, in der du unterwegs bist, aktiv mitzugestalten.

  10. Digital souverän in den sozialen Medien

    Eng verbunden mit dem vorherigen Learning: Dass Server in der digitalen Welt eine wichtige Rolle spielen, das haben die meisten wahrscheinlich schon mal mitbekommen. Aber – ganz ehrlich – wer weiß schon, wie das Ganze genau funktioniert? Auf Mastodon erfahren User*innen ganz nebenbei mehr über die Welt der digitalen Vernetzung und gewinnen so die Chance zu mehr digitaler Souveränität.

Fazit:

Mastodon ist eine echte Alternative zu Twitter. Manche meinen sogar: Es ist das bessere Twitter. Trotzdem gibt es einige Unterschiede, an die sich manche erst gewöhnen müssen. Je nach Kapazitäten der Instanz kann es an der einen oder anderen Stelle auch mal ein bisschen ruckeln. Auch wirst du nicht auf Anhieb die gleiche Community erreichen wie bei Twitter. Trotzdem lohnt sich der Umstieg – und Einstieg in eine neue Diskussionsform im Netz.