KI in der Wissenschaftskommunikation

Lila Stammtisch Logo auf türkisfarbenem Hintergrund
Published On: 13. April 2023By

Wie sieht die Zukunft der Wissenschaftskommunikation mit ChatGPT & Co. aus? Das haben wir uns bei unserem Wissenschaftsstammtisch #HHSWK gefragt. Zu Gast war Dr. Markus Gottschling, er forscht am RHET AI Center der Uni Tübingen.

Spätestens, seit im November 2022 ChatGPT veröffentlicht wurde, wird wild über KI diskutiert, prophezeit und geträumt.  Wird KI uns alle ersetzen? Oder müssen wir nur unsere Kompetenzen weiterentwickeln? Unser Gast Dr. Markus Gottschling vom Zentrum für rhetorische Wissenschaftskommunikationsforschung zur Künstlichen Intelligenz sagt: „KI-Tools wie ChatGPT werden unsere Art, wie wir kommunizieren, ähnlich umfassend verändern, wie es der Buchdruck getan hat“. Große Worte über ein komplexes Thema. Wir haben die zehn wichtigsten Learnings des Abends zusammengefasst.

1. KI-Tools werden bald überall zum Einsatz kommen

KI-Tools können mehr, als nur Texte zu schreiben. Sie erstellen auch Bilder, Videos, Formeln und vieles mehr. Das bedeutet: Wir werden in Zukunft KI-Tools (noch mehr als bisher) in Kommunikations-, Office, Produktivitäts- und Designapplikationen nutzen.

2. Es geht nicht um die Zukunft der Wissenschaftskommunikation, sondern um die Gegenwart

Ganz neu ist der Trend nicht: Die Technologie hinter ChatGPT (GPT = Generative Pre-trained Transformer) gibt es schon seit 2017 und sie wird laufend verfeinert. Genau genommen ging die Entwicklung schon mit dem Internet los. Anders gesagt: Die Katze ist längst aus dem Sack. Jetzt geht es darum zu lernen, wie wir mit ihr umgehen können.

3. Es gibt viel mehr als ChatGPT

Auf der Seite Futuretools.io sind inzwischen über 1.000 KI-Applikationen vermerkt, mit denen Texte, Bilder, Codes, wissenschaftliche Recherchen, Pitchdecks, Videos und vieles mehr erstellt werden können. Der Großteil funktioniert noch nicht so gut wie ChatGPT – aber die Entwicklung ist rasant. Zur wissenschaftlichen Recherche gibt es zum Beispiel Tools wie Elicit.org, es gibt Stilverbesserer wie DeepL-Write, Bild- und Videogeneratoren wie Dall-e-2 oder Jenny.ai und Hilfen für das kreative Schreiben wie Lex.page.

4. Je genauer, desto besser

Ganz nach Hermine Granger aus Harry Potter: Je besser ich meine Zaubersprüche beherrsche, desto eher kommt ein sinnvoller Zauber dabei heraus. Am deutlichsten ist dies in Text-zu-Bild-Generatoren wie DALL-E-2 oder Midjourney zu beobachten, wo spezifische Prompts deutlich stärkere Ergebnisse liefern.

5. In den Large Language Models steckt Statistik, keine Magie.

In den sogenannten Large Language Models (LLMs) steckt keine Magie, sondern knallharte Statistik. Die Modelle ergänzen immer das jeweils statistisch wahrscheinlichste nächste Wort (bzw. die nächsten Wörter) – abhängig von der Eingabeaufforderung. Was die Tools liefern, ist kein Textbuchwissen und auch keine „Wahrheit“, sondern eben „nur“ ein statistisch wahrscheinliches Ergebnis aufgrund einer schier unglaublichen Grundlage an Parametern. Die Linguistin Emily M. Bender nennt sie darum auch „stochastische Papageien“. Und die Wissenschaft streitet sich gerade sehr darum, ob die Tools eben nur nachplappern – oder zu mehr fähig sind.

6. KI diskriminiert

Wie schon gerade geschrieben: KI beruht auf Statistik. Ihr liegen unendlich große Datenmengen zugrunde, die voller Vorurteile und Tendenzen sind. Schließlich wurden die Informationen von Menschen geschrieben, die bewusst oder unbewusst ihre Einstellungen haben einfließen lassen. Das gibt die KI wieder – und verstärkt damit Vorurteile. Deshalb ist ein genauer Blick auf die Verarbeitung dringend empfohlen.

7. KI kann uns bei vielen Aufgaben unterstützen

Aus wissenschaftlichen Artikeln Pressemitteilungen schreiben, Recherchen strukturieren oder neue Ideen entwickeln: KI-Software kann uns im Job an vielen Stellen unterstützen. Am besten eignen sich die Tools oft als Starthilfen, zum Beispiel für Visualisierungsideen oder kreative Unterstützung. Aber auch als Strukturierungshilfen lassen sie sich einsetzen, beispielsweise, um schnell die wichtigsten Argumente zusammenzufassen oder umzuformulieren. Zusätzlich können sie Datensätze sortieren, Texte analysieren, Formeln berechnen oder statistische Überlegungen anstellen. Als Schreibhilfen sind sie in der Lage,  Texte auf Wunsch zu vereinfachen, blumiger zu schreiben oder zu übersetzen. Die Möglichkeiten sind grenzenlos.

8. KI ähnelt sich

KI hat eine eigene Ästhetik: Gerade bei Bildern fallen eine ähnliche Beleuchtung, Inszenierung und ein Hang zu fotografischem Realismus auf. Das ist etwas kurios, könnten die Systeme doch jeden beliebigen Stil imitieren. Abzuwarten ist nun, ob dies auch bei Texten passiert und wie mit einer solchen Stilangleichung umzugehen ist.

9. Wir vermenschlichen KI

Auf Twitter, aber auch in den Medien, werden besonders gerne die „Fehler“ gepostet, die die Modelle machen. Sie würden „halluzinieren“, heißt es dann. Das macht eine große Schwäche deutlich, die wir Menschen im Umgang mit KI haben: Wir behandeln die Modelle, als hätten sie einen menschlichen Kern – oder zumindest, als könnten sie menschliche Operationen ausführen.

10. Menschen bleiben am Steuer, KI kann nur Co-Pilotin sein

Auch wenn im Volksmund oder in den Nachrichten gern von „Künstlicher Intelligenz“ gesprochen wird, sind die Tools auf menschliche Begleitung angewiesen. Es handelt sich also nicht um eine Art magische Black Box, die auf wundersame Weise Texte oder Bilder produziert. Vielmehr sind wir es, die den Applikationen Werke entlocken. Ebenso haben LLMs keinen Begriff von Wahrheit. Ob etwas wahr ist, müssen wir Menschen entscheiden. Zum Teil geschieht das schon durch die Trainingsdaten, zum Teil durch menschliches Feedback. Wenn ChatGPT etwas ausdrückt, was unserem Empfinden nach „falsch“ ist, dann liegt der Fehler nicht bei ChatGPT, sondern bei uns, weil wir die Fähigkeiten des Programms falsch denken. Es ist also wichtig, die Tools gut zu kennen, um genaue Prompts schreiben zu können. Außerdem sollten wir wissen, woher die zugrunde liegenden Daten kommen und warum genau diese Daten enthalten sind.

Fazit: Die Rolle der Wissenschaftskommunikator*innen wird sich verändern.

Wir werden durch KI fantastische Unterstützung bekommen, müssen uns aber an die Rolle der Faktenchecker*innen gewöhnen. Gerade vor dem Hintergrund von Verschwörungstheoretiker*innen, die Fake News mithilfe von KI noch viel rasanter erstellen können, ist es unerlässlich, dass wir unsere Kompetenzen im Umgang mit KI und beim Überprüfen von Informationen rasch weiterentwickeln.

Tools:

ChatGPT (Chatbot, Text2Text)

Bing Chat (Chatbot, Text2Text)

DeepL/DeepL Write (Übersetzung, Stilverbesserung)

Stable Diffusion (Text2Image)

MidJourney (Text2Image)

Jenny.AI (Schreibassistent)

Ject.AI (Content Creation für Journalist*innen)