Brauchen wir eine Weihnachtskarte?

„Weihnachtsmann beklaut Kleinkind“ war der Titel der ersten Weihnachtskarte von Mann beißt Hund und der Beginn einer Tradition. Bis 2017 folgte jedes Jahr eine kreative Karte, die an immer mehr Kontakte verschickt wurde. Zwei Fäuste gegen Hass oder eine Fußball-Karte mit Panini-Sticker zur WM 2006 – gemeinsam mit Grafiker und Webdesigner Ari Gröbke, der fast alle Motive entwarf, hatten wir unseren Stil gefunden. Trotzdem änderten wir 2018 das Konzept: Aus Gründen der Nachhaltigkeit verzichteten wir auf eine Karte, spendeten das Geld und verschickten einen Film mit guten Nachrichten fürs kommende Jahr. Damit wir jedes Jahr aufs Neue rechtzeitig alles vorbereiten, zieht Alexandra Reimann, Assistentin der Geschäftsführung, die Strippen und erzählt vom jährlichen Endspurt vor den Feiertagen.

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Die Weihnachtskarten 2000 bis 2017

2000. Wir wünschen Ihnen ein angenehmes Fest ohne diebische Weihnachtsmänner, ohne Männer, die Hunde beißen – ein Fest also ohne jeden Nachrichtenwert, aber mit umso größerem Privatvergnügen.

2001. Suchen Sie auch immer wieder nach aufregenden Alternativen?

2002. Schokoladen-Märchen: Als „Bischof von Myra“ war St. Nikolaus schon im vierten Jahrhundert ein hilfsbereiter Mensch. Bis heute, sagt man, beglücke er Kinder am 6. Dezember mit Schokolade. Die schlichte Wahrheit: In der Regel stecken Eltern dahinter.

2003. In diesem Jahr haben schon viele ungefragt
ausgepackt… Wir sind der Meinung: Jetzt sind Sie an der Reihe. Auf www.mann-beisst-hund.de/Weihnachten
können auch Sie endlich auspacken! Schreiben Sie auf, was die Welt noch wissen sollte.

2004. Es gibt Geschichten, die so gut sind, dass sie immer wieder erzählt werden. Die Geburt eines heiligen Kindes im Nahen Osten ist eine solche Geschichte. Nur würde heute ganz anders darüber berichtet …

2005. Wer Medien alles glaubt, wird zur multiplen Persönlichkeit: Wir sind Papst titelte BILD, wir sind, was wir trinken, wollte uns vor Jahren eine Bierwerbung einreden. Doch damit nicht genug: Plötzlich sollen wir Albert Einstein, Alice Schwarzer oder sogar – das stelle man sich vor – ganz Deutschland sein. Sagt eine Kampagne, die in den letzten Wochen für Wirbel gesorgt hat. Kein Wunder: Wer wir sind, das wissen wir selbst am besten. Auch in der PR wirkt es übrigens überzeugender, bei sich zu bleiben, statt Blasen zu produzieren, die allzu schnell platzen.

2006. Es war einmal im Sommer: Deutschland begeisterte sich und die Welt. Der Ball rollte und die Herzen schlugen höher als je zuvor. Weil alles so echt war, so glaubwürdig und einfach sympathisch!
Jetzt ist Winter. Fußball war gestern, heute sind Bildung, Arbeit und Gesundheit unsere großen Themen. Wie bringt man Menschen dazu, sich dafür zu begeistern? Mit den gleichen Mitteln: glaubwürdige Geschichten, echte Helden und große Gefühle! Daran arbeiten wir, dafür schlägt unser Herz. Und wenn Deutschland PISA-Sieger wird, wehen Fahnen an unserem Firmenwagen – versprochen.

2007. Ob Strandkorb oder Tiergehege: Wären Sie nicht auch gern dort, wo alle hinschauen? Die Zutaten haben Sie, wir das Rezept. Daraus backen wir Ihnen die besten Medien-Plätzchen.

2008. Professionelle Kommunikation schafft Vertrauen: Unsere beiden Vorbilder versprechen, Milliarden Geschenke in Lichtgeschwindigkeit auszuteilen. Wir glauben ihnen gern.

2009. Das Jahr 2009 konnte schon Angst machen: Finanzkrise, Datenklau, Amokläufe und zum Schluss auch noch die Schweinegrippe. Höchste Zeit für eine Gegenkampagne! Unser Botschafter ist charismatisch, der Claim bewährt: Fürchtet euch nicht! Impfen Sie sich jetzt gegen Panik und tragen Sie unsere Botschaft weiter, zum Beispiel mit der beiliegenden Postkarte. Wirkt garantiert!

2010. Früher Bischof von Myra bei Antalya, heute weltweit unterwegs: Nikolaus ist ein Migrant. Horst Seehofer beißt trotzdem zu. Was sagt uns das? Meint er, einen bärtigen „Integrationsverweigerer härter anpacken“ zu müssen? Oder öffnet er sich dem fremden Kulturkreis? Das wäre die bessere Nachricht.

2011. Also wir finden ja, weniger ist mehr: Es ist schon toll, einen Fürsprecher zu haben. Aber schlecht, wenn er einem die Show stiehlt. Schön, auf dem Titel zu stehen, nur nicht auf der Titanic. Inszenieren Sie sich nicht zu perfekt, das hält doch kein Mensch aus. Irgendwo liegt immer ein Schachbrett verkehrt herum, und genau das nimmt man Ihnen dann krumm.

2012. Gute Ideen werden noch wertvoller, wenn man sie teilt. Deshalb unser Tipp zum Fest: Verschenken Sie brillante Gedanken, pointierte Zitate und schicke Bilder. Wir tun das seit Jahren – und freuen uns über jeden, der abschreibt.

2013. In diesem Jahr wurde viel über Geheimnisse gesprochen. Oder darüber, dass es kaum noch welche gibt. Dabei brauchen wir Geheimnisse: Freundschaft, Vertrauen und Kommunikation – so vieles hängt davon ab, dass Privates privat bleibt. Auch Weihnachten lebt vom Geheimnis. Deshalb schauen wir taktvoll zur Seite und lassen den Mann mit der Mütze im Verborgenen arbeiten.

2014. Wann wir wohl Weihnachten feiern würden, hätte es social freezing schon vor gut 2000 Jahren gegeben? Wir finden: Gute Projekte sollte niemand einfrieren. Und Arbeit muss ins Leben passen, nicht umgekehrt.

2015. Wozu drei Worte in der Lage sind: Sie setzen Menschen in Bewegung, geben Hoffnung, erregen Widerspruch, jagen Angst ein, spalten, provozieren, motivieren. Das Positive überwiegt – wir sind begeistert!

2016. Hasserfüllte Anschuldigungen und Pöbeleien haben in diesem Jahr einigen Menschen die Lust oder auch den Mut genommen, sich noch auf Diskussionen einzulassen. Wir sollten diesem Hass etwas entgegensetzen. „Lieb sein“ heißt nicht schweigen, sondern aufeinander zugehen, sich einmischen und wenn nötig klare Kante zeigen. So retten wir etwas, das uns am Herzen liegt: die freie Kommunikation.

2017. Wer nichts falsch machen will, liegt damit nicht automatisch richtig. Schwierig wird’s, wenn man das auch noch als Haltung verkauft. Wir haben lange sondiert, um für dieses Jahr die richtige Weihnachtskarte zu finden. „BESSER NICHT ALS FALSCH“ war für uns keine Lösung. Stattdessen haben wir uns entschlossen, Ihnen KEINE WEIHNACHTSKARTE zu schicken. Denn wir möchten mit Ihnen im Gespräch bleiben.

20aus20
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2aus20: Alle Jahre wieder
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