Periscope für Hochschulen

weiß, hellgraue Buchstabend auf dumkelm Grund, zur Bebilderung des Artikels: Automatische Transkription"
Published On: 24. September 2015By

Vielleicht wird man 2015 als Jahr der mobilen Livekommunikation in Erinnerung behalten: Mit Meerkat und Periscope sind im Frühjahr zwei Plattformen online gegangen, bei denen es vor allem um das Jetzt geht. Videos werden dort nur kurz oder überhaupt nicht gespeichert, nach dem Motto: Wer’s verpasst, hat Pech gehabt. Letzte Woche hatte ich das Vergnügen, diesen Trend in einem Workshop auf der Jahrestagung Hochschulkommunikation in Duisburg vorzustellen.

Im Raum waren rund 30 Mitarbeiter von Pressestellen und Kommunikationsabteilungen deutscher Hochschulen. Es ging mir vor allem um diese drei Fragen:

  • Was passiert da gerade?
  • Wie finden wir das?
  • Was können wir damit machen?

Livestreaming in Hochschulen – wie finden wir das?

Etwa die Hälfte der Teilnehmer war von Periscope inspiriert, die andere war skeptisch. Die wichtigsten Einwände grob zusammengefasst:

„Das wird keinen Erfolg haben.“

Es gebe doch schon so viele Kommunikationskanäle. Außerdem seien Studierende generell nicht so aktiv auf Twitter. Vielleicht sei es einfach noch zu früh, um da einzusteigen – besser abwarten.
Meine Meinung dazu: Ja, kann sein. Aber im Nachhinein betrachtet haben „First Mover“ viele Vorteile. Sie können sich mit geringem Aufwand von anderen abgrenzen, früh Erfahrungen sammeln und relativ frei experimentieren, bevor sich höhere Qualitätsstandards durchgesetzt haben.

„Nicht geeignet für die Wissenschaft.“

Wissenschaftkommunikation lebe von komplexen Themen, die nicht in einem wackeligen Handyfilm vermittelt werden könnten.
Meine Meinung dazu: Periscope wird sicher kein Hauptkanal für das Public Understanding of Science werden. Aber es bietet eine gute Möglichkeit, Wissenschaft zu personalisieren und greifbar zu machen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich Physiker, die per Knopfdruck Photonen auf die Reise schicken. Oder eine Laborantin beim Pipettieren. Und die Zuschauerin auf Periscope fragt per Kommentarfunktion: „Was machst du da gerade?“ Wissenschaft besteht eben oft aus einfachen Handlungen, die man zeigen kann – erst die Theorie dahinter ist komplex.

„Flüchtige Streams – das ist doch Verschwendung von gutem Material.“

Wenn man schon den Aufwand treibe, dann sollten die Filme auch permanent verfügbar sein.

Meine Meinung dazu: Natürlich kann jeder seine Periscope-Filme anschließend auf YouTube veröffentlichen und viele machen das ja auch. Da sieht man dann relativ langweilige Aufnahmen von Feiern auf dem Campus oder Institutseröffnungen. Was hier fehlt, ist der Reiz des Gegenwärtigen und die Möglichkeit, live mit dem Periscoper zu kommunizieren. Außerdem: Wenn ich oft und spontan filmen will – und genau das macht den Reiz von Periscope und Meerkat aus – dann wird die Qualität mittelmäßig sein. Und genau dann lohnt es sich eher nicht, den Film permanent zu speichern.

„Mir ist nicht klar, wie das Live-Filmen auf dem Campus ankommt. Wie ist das eigentlich rechtlich?“

Meine Meinung: Ja, das ist ein wichtiger Punkt. Bei einem professionellen Dreh mit Kamerateam sieht jeder, worum es geht, und kann sich „in Sicherheit bringen“ oder Einspruch erheben, wenn er oder sie nicht gefilmt werden möchte. Ein Periscoper dagegen bleibt oft zunächst unerkannt und kann live gesendetes Material auch nicht mehr löschen. Hier fehlt es noch an Erfahrung und „Periskette“ (spontane Wortschöpfung). Vielleicht hilft es, wenn Hochschulen ihre Campus Reporter mit einem auffälligen Outfit ausstatten und über die Aktion informieren. Rechtlich gelten vermutlich die bekannten Regeln über das Recht am eigenen Bild und die Fotografie im öffentlichen Raum. Auf diesem Gebiet bin ich aber kein Experte – wer mehr weiß, gerne kommentieren.

Sehr hörenswert ist in diesem Zusammenhang dieses Interview mit Nikki Sunstrum, Director of Social Media at the University of Michigan.

Was können wir damit anfangen?

Die Teilnehmer in Duisburg sollten mit ihren Nachbarn diskutieren, wofür sie Periscope nutzen können. Als ich das sagte, stieg der Lärmpegel um einige Dezibel – offensichtlich gab es viel zu besprechen. Viele gute Ideen sind dabei herausgekommen:

  • Kommunikation mit Studieninteressenten und Erstsemestern: „mal einen normalen Tag an der Uni zeigen“, Campus-Rundgang etc.
  • Berichte aus dem Ausland, z.B. von Gaststudenten, Professoren, Partner-Universitäten
  • Enthüllungen, Einweihungen
  • Übertragung von Sitzungen des Studierendenparlaments (StuPa)
  • Streaming von Alumni-Veranstaltungen – für alle, die nicht dabei sein konnten und ihre ehemaligen Kommilitonen wenigstens auf dem Bildschirm sehen wollen.
  • Statements des Präsidenten, vielleicht in einem regelmäßigen Format
  • Studienberatung, z.B. Interview mit einem/-r Studienberater/-in oder mit Studierenden im Sinne einer „peer education“. Gestellte Beratungssituation dagegen sind eher unpassend für Live-Videos, die ja gerade von der Authentizität leben.
  • Bei Events kann Livestreaming spontane Eindrücke vermitteln, ohne Anspruch auf vollständige Dokumentation
  • In Krisensituationen stellt ein Livestream Transparenz her über das, was gerade passiert, zum Beispiel auch bei Besetzungen, Demonstrationen oder ähnlichen Aktionen.
  • Ganz pragmatisch könnten per Livestreaming auch die Warteschlangen in der Mensa gefilmt werden. Allerdings ginge das auch mit einer klassischen Webcam.
  • „Bericht aus den Stadtteilen“ nannte eine Teilnehmerin ihre Idee, via Periscope über Stadtteilfeste und Parties zu berichten – vor allem für Studierende.
  • Bericht über Projektwochen

Weitere Ideen oder Erfahrungen? Dann bitte gleich hier kommentieren. Das Thema ist an deutschen Hochschulen noch so jung, dass jeder Hinweis sicher dankend aufgenommen werden wird.

Meine Präsentation auf Slideshare