BeReal: Kurzer Hype oder neuer Trend?

Bild in Bild, großes Bild zeigt Büroraum mit hoher Decke, Bürostühle, Regal, Glaswand; kleines Bild zeigt Annina Arnold, die das Peace-Zeichen macht
Published On: 8. September 2022By

Kaum ist TikTok bei Zielgruppen außerhalb der Generation Z angekommen, zieht es die jüngeren Social Media User schon zur nächsten App: BeReal. Unsere Social-Media-Expertin Annina Arnold hat sich die Trend-App genauer angeschaut.

BeReal: Der Name ist Programm, denn die neue App, die 2020 in Frankreich released wurde, soll das Gegenteil von Instagrams selbstoptimierter und künstlicher Bildwelt sein. Statt Gesichtsfilter gibt es hier Fotos vom ungeschönten Alltag. Das ist zumindest die Idee. Immerhin zählt die App bereits 26 Millionen Downloads. Wie funktioniert´s? Ein Mal am Tag erhalten die Nutzer*innen zu einer unvorhersehbaren Zeit eine Push-Nachricht. Dann heißt es: innerhalb von zwei Minuten ein Foto aufnehmen. Der Clou: Beide Kameras am Handy lösen aus. Es wird also gleichzeitig ein Selfie und ein Foto von der Umgebung aufgenommen. So soll eine besonders ungekünstelte Aufnahme entstehen.

Das klingt stressig, tatsächlich können die User aber auch nach dem festgelegten Zeitfenster Fotos liefern. Die einzige Konsequenz ist dann, dass anderen angezeigt wird, wie viel später das Bild online ging. So können die Nutzenden trotzdem besonders schöne Momente einfangen oder inszenieren.

Zusätzlich können sie sich entscheiden, ob sie die Fotos nur mit ihren Freund*innen oder öffentlich teilen möchten. Stilles Beobachten adé: Um die Bilder der Freund*innen zu sehen, müssen die User zuerst selbst ein Foto gepostet haben. Statt Likes gibt es RealMojis, das heißt, die Nutzer*innen stellen Emojis per Foto nach und reagieren so auf die Beiträge anderer. Nach 24 Stunden sind die Fotos nicht mehr sichtbar.

Die Kritik

Die Nutzer*innen werden angeregt, mitunter besonders intime Fotos im Internet zu teilen. Je nach Einstellung sehen nicht nur die eigenen Freund*innen diese Bilder, sondern eine größere Öffentlichkeit. Das ist bedenklich – insbesondere weil viele BeReal-User minderjährig sind. Durch den Zeitdruck nehmen sie möglicherweise Fotos in intimen Situationen auf und teilen noch dazu in Echtzeit ihren Standort. Im Internet kursieren bereits Videos mit den absurdesten BeReal-Aufnahmen, etwa auf einer Beerdigung oder beim Gynäkolog*innen-Besuch.

Lässt sich BeReal für die professionelle Kommunikation nutzen?

Bisher wird die Plattform kaum von größeren Unternehmen genutzt. Eine Beispiel ist die US-amerikanische Fast-Food-Linie Chipotle, die über BeReal unter anderem Rabattcodes bewirbt.

Wenn sich BeReal nach dem ersten Hype langfristig etabliert, könnte die App ein guter Weg für Unternehmen und Institutionen sein, junge Zielgruppen zu erreichen und sich möglichst authentisch zu zeigen. Die App ermöglicht es, ungeschönte und somit glaubwürdige Einblicke hinter die Kulissen zu geben, Persönlichkeiten zu zeigen und so eine vertrauensvolle Verbindung aufzubauen. Vor- und Nachteil gleichermaßen: Eine akribische Vorbereitung ist nur bedingt möglich und nötig, zumindest, wenn man zur angegebenen Zeit posten möchte. Stattdessen ist Spontaneität und Kreativität gefragt.

Kurzer Hype oder mehr?

The devil works hard, Meta works harder. Wie schon bei anderer Konkurrenz (Snapchat, TikTok) fährt Instagram das altbewährte Rezept auf: einfach kopieren. Tatsächlich gibt es seit Neuestem die Dual-Kamera-Einstellung in der Story-Funktion. So können Instagram-User wie bei BeReal die Front- und die Selfie-Kamera gleichzeitig verwenden und ein umfassendes Bild von sich selbst und ihrer Umgebung dokumentieren. Zusätzlich testet Instagram wohl gerade eine neue Funktion, die BeReal sehr ähnlich ist: IG Candid. Die Funktionsweise ist genau die gleiche wie bei BeReal. Gut möglich also, dass BeReal von Instagram geschluckt oder schlicht verdrängt wird.

Fazit

Privat macht BeReal insofern Spaß, als dass die User unkompliziert Einblicke in das Alltagsleben ihrer Freund*innen gewinnen und darauf reagieren können. Online-Kommunikation in Echtzeit erleichtert es der Gen Z am Leben ihrer (Online-)Freund*innen live teilzuhaben.  Und: Der Suchtfaktor ist ziemlich gering, denn ein das lange Scrollen durch den Feed erübrigt sich, solange zumindest die Freundesliste noch kurz ist.

Für Unternehmen könnte BeReal eine Chance sein, besonders authentischen Content zu posten und zu generieren. Die Bindung der Nutzenden an die Marke könnte einen wahren Boost erleben – vorausgesetzt, aus dem Hype wird ein Trend. Selbst wenn Instagram BeReal verdrängen sollte, sind authentische und persönliche Einblicke ein wichtiges Tool, um junge Zielgruppen zu erreichen.