Die Perspektive wechseln: Peer-to-Peer-Kommunikation

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Published On: 23. April 2019By

Wie erreicht man sie eigentlich noch, die Jugend? Viele Unternehmen stehen vor dieser Frage. Zwar hat sich das Marketing längst darauf eingestellt, dass Jugendliche ausschließlich digital kommunizieren. Doch reicht eine jugendgemäße Ansprache heute kaum noch aus. Jugendliche wollen, dass mit ihnen auf Augenhöhe kommuniziert, Marketing mit ihnen gemeinsam gemacht wird. Zeit für einen Perspektivwechsel!

Als Mann beißt Hund 2018 den Auftrag bekam, die Öffentlichkeitsarbeit zum Deutschen Gründerpreis für Schüler (DGPS) zu machen, war ein wichtiges Kriterium die authentische Ansprache der jungen Generation. Nun sind wir alle keine Teenager mehr. Also haben wir uns die entsprechende Expertise ins Haus geholt – und einen Schülerbeirat berufen. Der offene und direkte Austausch mit den Jugendlichen hat uns nicht nur im Kommunikationsprozess vorangebracht. Er hat uns auch die Augen geöffnet. Zum Beispiel in puncto Authentizität: Die von uns gewählte Ansprache „Mädels“ für junge Frauen fand unser Beirat einfach nur peinlich. Seither gibt es bei Mann beißt Hund einen Schülerreporter und eine Schülerreporterin, die für den DGPS die Inhalte für Social Media eigenständig aufbereiten.

Kommunikation auf Augenhöhe

Das Konzept dahinter heißt Peer-to-Peer-Kommunikation (kurz: P2P-Kommunikation), was so viel bedeutet wie Kommunikation auf Augenhöhe, unter Gleichaltrigen. Während des 5. Hochschulbarcamps im März in Essen haben wir diesen Ansatz in zwei Sessions vorgestellt. Das extrem positive Feedback zeigte uns, dass wir einen Nerv getroffen hatten. Offensichtlich wissen viele Kommunikations- und Social-Media-Expert*innen in den Hochschulen längst, dass sie junge Menschen anders ansprechen müssen. Sie wissen nur nicht, wie. Oft kämpfen sie auch gegen starre Vorgaben und zu geringe Ressourcen.

Ein paar Fragen vorweg

Wer Jugendliche in der Kommunikation und im Marketing einbinden möchte, sollte sich vorab einige Fragen stellen:

  • Wie viel Verantwortung kann ich abgeben?
  • Wo und wie binde ich sie ein?
  • Wer arbeitet sie ein?
  • Wie starte ich die Zusammenarbeit (z. B. Workshop)?
  • Wie und wann sprechen wir uns ab?
  • Gibt es einen Zeitplan?
  • Wessen Freigaben benötige ich?
  • Wie sichere ich die Qualitätsvorgaben (z. B. mittels Social-Media-Guide)?
  • Wie überprüfe ich den Erfolg der Maßnahmen?

Einsatzmöglichkeiten von Gleichaltrigen

Je nach Ziel und Zielgruppe können Jugendliche in folgenden Situationen die Kommunikation übernehmen:

  • als Reporter*in vor Ort mit Berichten über Veranstaltungen oder über ihren Alltag in der jeweiligen Institution
  • als Influencer*in, wenn sie eine hohe Reichweite in der jeweiligen Zielgruppe haben
  • als Gast-Blogger*in auf dem Blog der Einrichtung/des Unternehmens
  • als Blogger*in eines eigenen, auch zeitlich begrenzten Blogs, in dem eigene Erfahrungen etwa als Studienanfänger*in oder Doktorand*in geschildert werden
  • als Beratende oder Mitarbeitende in der Social-Media-Redaktion
  • für weiteren Content wie z. B. Instagram-Takeover, Video-Angebote oder Instawalks.

Unser Kollege Laurenz (links im Bild) und Schülerreporter Jacob bei der Tincon Hamburg.

Kontrolle abgeben: alles andere als einfach

Für die Unternehmen bedeutet das umzudenken und einzusehen, dass die eigenen Maßstäbe womöglich nicht denen der jungen Zielgruppe entsprechen. Erst mit dieser Offenheit ist es sinnvoll, jugendliche Mitarbeiter*innen in die eigenen Reihen aufzunehmen. Gleichzeitig bedeutet der Wechsel der Perspektive, zumindest teilweise die Kontrolle abzugeben. Das dürfte eine der schwierigsten Übungen sein. Aber am Ende zahlt sie sich aus, wie unsere Praxisbeispiele zeigen.

Zwei Beispiele aus der Praxis

Die Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) hat uns beauftragt, das Studierendenmarketing zu verbessern. Im Fokus stand der Standort Holzminden, der wegen seiner eher dezentralen Lage freie Kapazitäten hatte. Im Laufe des Prozesses identifizierten wir scheinbare Schwächen als echte Stärken für eine bestimmte Zielgruppe: Studierende, deren Eltern nicht studiert hatten und die deshalb nicht mit Ratschlägen helfen konnten, schätzten die Überschaubarkeit und das persönliche Klima des Campus. Auch viele minderjährige Studierende waren begeistert, wie leicht sie sich auf dem Campus zurechtfanden und vergleichsweise einfach Kontakte knüpften. Als Teil unserer Kampagne „Studieren? – Keine Angst!“ setzte die Hochschule für jene Zielgruppe Fakultätslots*innen ein, die selbst studierten und die jungen Menschen persönlich in die Hochschulwelt einführten. Zwei Jahre später waren die Kapazitäten voll ausgeschöpft.

Auch die Leibniz Universität Hannover bindet ihre Studierenden aktiv in die Kommunikation ein: In der AG Öffentlichkeitsarbeit des Studiengangs Geodäsie und Geoinformatik prüfen Kommunikationsprofis und Studierende gemeinsam, ob Informationsmaterial zur Zielgruppe passt. Denn Schüler*innen kennen zwar Geografie und Informatik, aber Geodäsie und Geoinformatik haben sie nicht auf ihrem Radar – trotz spannender Aufgabengebiete und bester Berufsperspektiven. Diese und weitere Maßnahmen waren erfolgreich und führten zu höheren Anfängerzahlen im Studiengang.

Tipps zur Umsetzung

Aus unseren Erfahrungen mit Peer-to-Peer-Kommunikation lassen sich eine Reihe von grundsätzlichen Überlegungen ableiten:

  • Absprachen und Aufgabenverteilung zwischen den Kommunikationsabteilungen und den beauftragten Jugendlichen („Agents“) sind entscheidend für den Erfolg.
  • Unternehmen sollten die Weichen stellen, dann aber loslassen. Die Agents benötigen kreativen Freiraum innerhalb der Absprachen für die Content-Erstellung.
  • Die Arbeit sollte vergütet werden.
  • Konkurrenz beobachten und inspirieren lassen: Social Media ist voll von tollen Beispielen. Experimentierfreudige Unis auf Instagram sind beispielweise die FU Berlin oder die Uni Wuppertal.
  • Mut zur Lücke: Social-Media-Content muss nicht perfekt inszeniert sein – im Gegenteil. Formate wie die Instagram Stories leben von Spontaneität, Schnelligkeit und Authentizität.
  • Der Umgang mit Social Media ist ein ständiger Lernprozess. Was heute gut funktioniert, kann morgen schon nichts mehr bedeuten.
  • Einfach mal Unbekanntes testen: Aus Erfahrungen wird man klug.

Weitere Informationen:

Dieser Text entstammt unserem Newsletter „Wuff-Sendung“, in dem wir etwa sechs Mal im Jahr über Trends in der Kommunikation berichten, Tools vorstellen und Tipps geben. Wer keine Ausgabe verpassen möchte, registriert sich hier.