Schweigend auf den Punkt gebracht

blauer Hintergrund, schwarzer Schrift: ohne Worte
Published On: 15. Dezember 2021By

Wie Sprache, Lautstärke und Sprechtempo ist auch Schweigen ein Mittel der Kommunikation. Seine (Aussage-)Kraft wird jedoch immer wieder unterschätzt. Zeit also, dem Schweigen einen Blogtext zu widmen.

Als Agentur für Kommunikation entwickeln wir für und gemeinsam mit unseren Kund*innen Inhalte und Botschaften und tragen sie in die Welt. Sprache ist unser Instrument. Wir arbeiten mit Texten, Slogans, Zitaten, wir produzieren Interviews, lassen O-Töne hören und Bilder sprechen. Schweigen ist da eher die Ausnahme, und doch auch Teil unserer Arbeit – wenn auch oft unterschätzt.

Es gibt keine Sprache und kein Sprechen ohne Schweigen, und es gibt kein Schweigen ohne Sprechen.
Ulrich Schmitz, 1995

Die deutsche Sprache unterscheidet – anders als zum Beispiel die englische – das Schweigen und die Stille. Stille ist die Abwesenheit von Kommunikation – Schweigen dagegen ist die bewusste Entscheidung für eine von vielen kommunikativen Möglichkeiten. „Man kann nicht nicht kommunizieren“, hat der österreichische Philosoph und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick gesagt und damit gezeigt: Auch Schweigen ist Kommunikation.

Während wir viel darüber wissen, wie Texte wirken, wie das gesprochene Wort ankommt und welche Botschaften ihr Ziel erreichen, wird über die Wirkung des Schweigens deutlich weniger geforscht und diskutiert. Dabei lohnt es sich, sich mit den verschiedenen Formen und ihren Wirkungen zu beschäftigen.

Sechs Arten, vielsagend zu schweigen

Schweigen ist nicht gleich Schweigen: Abhängig von Intention und Kontext lassen sich verschiedene Möglichkeiten entdecken, um ohne Worte ein klares Statement abzugeben:

  • Schweigen als Verweigerung des Gesprächs: gerne eingesetzt in Situationen, in denen eine Antwort erwartet wird, zum Beispiel im Interview. Wer sich hier verweigert, schafft nicht nur Spannung, sondern behält auch die Hoheit über das Gespräch. Das kann sich empfehlen, wenn die Frage schon eine Unterstellung impliziert oder offensichtlich provozieren soll. In einigen Situationen ist Schweigen als Verweigerung sogar die einzige Möglichkeit, sich einem Diskurs zu entziehen, dessen Regeln man nicht teilt oder den man gänzlich ablehnt.
  • Schweigen zur Bedeutungssteigerung: Eine Pause ohne Worte kann den Raum schaffen, um das Vorausgegangene nachklingen zu lassen. Die sogenannte bedeutungsschwangere Pause wird nicht nur in der Rhetorik eingesetzt, sondern ebenso in der Musik.
  • Einvernehmliches Schweigen: Gemeinsam nichts zu sagen, kann einen starken Zusammenhalt erzeugen. „Wir verstehen uns auch ohne Worte“ oder auch „wir brauchen keine Worte, wir wissen, was der oder die andere jetzt denkt“. Freundschaftliches Schweigen fühlt sich absolut natürlich an und erzeugt damit im Gegensatz zu anderen Formen des Schweigens keine Spannung.
  • Schweigen um Missstände zu kaschieren: Wer Probleme und Verbrechen verschweigt, macht sie keineswegs kleiner oder löst sie damit in Luft auf. In der Regel tauchen sie an anderer Stelle wieder auf, deshalb ist diese Strategie meist nur von kurzfristigem Erfolg – wenn überhaupt.
  • Schweigen zur Steigerung der Spannung: Auf Fragen nicht zu antworten, bis der Zeitpunkt gekommen ist, an dem eine Nachricht platziert werden soll, steigert die Spannung und vermeidet ein erstes „Durchsickern“ von halbgaren Informationen. Gleichzeitig verschafft man sich die notwendige Zeit, um sie optimal vorzubereiten.
  • Schweigen, um die Gedanken sammeln zu können: Nicht immer haben wir auf jede Frage gleich eine Antwort parat. Es zeugt von Stärke und Selbstvertrauen, wenn man das Gegenüber daran teilhaben lässt, dass man die Antwort noch sucht, darüber reflektiert – wohl die souveränste Form des Schweigens.

Schweigen ist Gold – gut geschwiegen

Menschen schweigen also aus verschiedensten Gründen und provozieren damit unterschiedliche Reaktionen. Je nach Kontext kann diese Form der Kommunikation als Zustimmung oder Ablehnung verstanden und positiv oder negativ bewertet werden. Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt setzte zum Beispiel gern auf Schweigen als rhetorisches Mittel, um wichtigen Aussagen seinerseits Nachdruck zu verleihen, um sich zu sammeln und dann angemessen zu reagieren. Ein Meister des souveränen und bedeutungsschwangeren Schweigens!

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Schweigen kann provozieren oder auch selbst die perfekte Antwort auf eine Provokation sein. Das demonstrierte die Grünen-Chefin Annalena Baerbock zuletzt sehr überzeugend. In der Schnellfragerunde im Anschluss an das ZDF-Sommerinterview mit Tina Hassel zog Baerbock es vor, zu schweigen, anstatt den Satz, „Eine unüberlegte Aussage von mir war…“, zu beenden. Sie hat damit im Interview das Heft selbst in die Hand genommen, ohne sich von der Journalistin in die Enge treiben zu lassen.

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Als Gegensatz zum Dauerrauschen der Kommunikation auf allen Kanälen kann das Schweigen auch einen Gegenpol inszenieren. Unvergesslich ist die Performance der Künstlerin Marina Abramovic: 2010 saß sie 75 Tage lang sieben Stunden täglich im New Yorker Museum of Modern Arts auf einem Holzstuhl – schweigend und im stummen Austausch mit dem Publikum ihrer Performance „The Artist is Present“. Eine halbe Millionen Besucher*innen sahen sich das stille Spektakel an.

Für reichlich Gesprächsstoff sorgte außerdem das Schweigen des Sängers Bob Dylan, als er 2016 für den renommierten Literaturnobelpreis nominiert wurde. Er äußerte sich weder öffentlich, noch reagierte er auf Anrufe des Nobelpreis-Komitees. Erst Wochen später brach der Sänger sein Schweigen, ohne ein einziges Wort darüber zu verlieren: Drei Monate später nahm er den Preis an und bekannte: „Ich schätze diese Ehre sehr“.

Mut zum Schweigen

Kommunikation braucht Worte, Zeichen – aber manchmal eben auch Schweigen. Schweigen kann die Antwort sein. Schweigen erhöht die Aufmerksamkeit. Schweigen setzt Pausen, die den Raum öffnen, den eigenen Gedanken zu lauschen und neue entstehen zu lassen. Schweigen kann die Macht zerstörerischer Formen von Kommunikation aushebeln. Schweigen signalisiert dem und der Gesprächspartner*in: Ich höre dir zu.

Es gibt viele Arten zu reden und viele Arten zu schweigen. Die Kunst liegt darin, sich an der richtigen Stelle für das Passende zu entscheiden.